Im Kopf ist jede Menge los
Kaum etwas ist spannender, als Babys und Kleinkindern beim Größerwerden zuzusehen. Sie entdecken ständig etwas Neues, lernen hinzu und verändern durch die neuen Erfahrungen ihr Verhalten. Inzwischen weiß die Hirnforschung recht gut, wie die Entwicklung des menschlichen Gehirns im Kleinkindalter abläuft. Für Lernprozesse werden im Gehirn Vernetzungen zwischen den einzelnen dort ansässigen Neuronen aufgebaut. Die Anzahl an Hirnzellen ist bei Neugeborenen und Erwachsenen etwa gleich. Sie sind eben nur noch unterschiedlich stark untereinander verknüpft. Genau diese Verknüpfungen sind es aber, die in unserem Gehirn angelegt werden müssen, damit wir die Welt so erkennen und verstehen, wie sie ist. Gerade im Kleinkindalter werden ständig eine Unmenge dieser Vernetzungen aufgebaut. Im Kopf der Kleinen ist also eine Menge los.
Im Alter von 2 Jahren haben die meisten Nervenfasern von Rückenmark, Nachhirn und Kleinhirn ihre endgültige Dicke erreicht und damit ihre Ummantelung abgeschlossen. Sie können nun Nervensignale mit hoher Geschwindigkeit hin und her schicken. Diese Abschnitte des Gehirns sind für die komplexe Koordination von Bewegungen zuständig und befähigen nun das Kleinkind zu gehen, zu laufen und sich mit Gegenständen zu beschäftigen.
Im Gehirn nimmt die Anzahl der Verbindungen zwischen den Nervenzellen, die Synapsen, in den ersten 3 Lebensjahren rasant zu. In dieser Zeit entsteht das hochkomplexe neuronale Netz, in dem jede Nervenzelle mit Tausenden anderer Neurone verbunden ist. Mit 2 Jahren haben Kleinkinder so viele Synapsen wie Erwachsene und mit 3 Jahren sogar doppelt so viele. Diese Zahl bleibt dann etwa bis zum zehnten Lebensjahr konstant. In den darauffolgenden Jahren verringert sich die Zahl der Synapsen wieder um die Hälfte. Ab dem Jugendalter treten bei der Zahl der Synapsen keine größeren Veränderungen mehr auf. Die große Zahl der Synapsen bei 2 bis 10-Jährigen ist ein Zeichen für die enorme Anpassungs- und Lernfähigkeit der Kinder in diesem Alter. Art und Anzahl der sich formenden und bestehen bleibenden Synapsen hängen mit speziellen erlernten Fertigkeiten zusammen. Bei der weiteren Entwicklung des Gehirns treten dann andere Dinge in den Vordergrund. Die wenig benutzten und offenbar nicht benötigten Verbindungsstellen werden abgebaut, die anderen Nervenfasern zwischen den Neuronen dagegen intensiver genutzt. Das ist der Grund für den Abbau der Synapsen ab dem 10. Lebensjahr um die Hälfte. Auf diese Weise nimmt das, was das Kind bis zu diesem Alter erfahren, erlebt und gelernt hat, Einfluss auf die Struktur des Gehirns.
„Die Fenster fallen zu, eins nach dem anderen, mit jeder neuen Kerze, die auf der Geburtstagstorte brennt“, warnte kürzlich das US-Magazin „Newsweek“. Wolf Singer, Direktor im Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung unterstreicht diese Fenster-These: „Wenn die Verschaltung der Nervenzellen nicht zum richtigen Zeitpunkt erfolgt, läßt sich das nicht mehr nachholen.“
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